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Blog

Negativpreise – Tanken wir bald umsonst?

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In dieser Woche passierte an der amerikanischen Rohölbörse etwas noch nie dagewesenes: die Preise rutschten ins Negative. Während sich die Börsianer weltweit die Augen rieben und sich die Nachrichten überschlugen, freute sich manch ein Verbraucher schon auf eine kostenlose Tankfüllung. Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht mit den Ölpreisen. Oliver Johne, Börsenexperte und Geschäftsführer beim Informationsdienstleister Futures-Services, hat uns deshalb einige Fragen zu den historischen Negativpreisen und der Auswirkung auf den deutschen Markt beantwortet.

 

Herr Johne, die wichtigste Frage gleich zu Beginn: Bei negativen Preisen müssten wir doch jetzt bald Geld rauskriegen, wenn wir Heizöl oder Benzin kaufen?

Johne: Die richtige Antwort darauf lautet „Jein!“ Der Preis, der am Montag ins Minus gerutscht ist, war der Preis für Rohöl, nicht der Preis für Produkte wie Heizöl oder Diesel. Genauer gesagt war es der Preis für eine spezifische amerikanische Sorte, nämlich West Texas Intermediate oder WTI. Die wird in New York als Referenzsorte gehandelt. Der Endverbraucher in Deutschland, der Heizöl, Benzin oder Diesel braucht, hat davon erst einmal wenig. Auch in Amerika war das Tanken am Montag nicht kostenlos.

Geld rausgekriegt hätten Sie nur, wenn Sie an der New Yorker Börse Rohöl gekauft hätten. Die Mindestmenge sind 1.000 Barrel, also 159.000 Liter. Da hätten Sie ein hübsches Sümmchen bekommen. Das könnten Sie dann benutzen, um zu überlegen, wie Sie die 159.000 Liter Rohöl in den USA abholen wollen. Denn mit dem Kauf hätten Sie sich auch zur Abnahme der Menge im Zentrallager in den USA verpflichtet – und das schon Ende Mai.

 

Aber Benzin- bzw. Heizölpreise hängen doch vom Rohölpreis ab, oder nicht?

Johne: Ja, das schon. Aber in Europa dient das an der Londoner Börse gehandelte Rohöl der Nordseesorte Brent als Referenz. Die hat in den letzten Wochen durch die Corona-Krise zwar auch heftig an Wert verloren, ist aber längst nicht so stark abgerutscht wie WTI am Anfang der Woche.

Die Verbraucher merken aber deswegen auch schon seit längerem, dass die Preise an den Tankstellen viel günstiger geworden sind als noch Ende letzten Jahres. Und auch Heizöl ist zur Zeit so preiswert wie schon lange nicht mehr. Das liegt schon an den niedrigen Rohölpreisen.

 

Die Rohölpreise sind seit dem Ausbruch der Corona-Krise um ungefähr 70 Prozent gefallen. Müssten Heizöl, Diesel und Benzin dann nicht auch um 70 Prozent günstiger sein als am Jahresanfang?

Oliver Johne, Börsenexperte

Johne: Tja, wenn der Rohölpreis das einzige wäre, was den Heizöl- oder Benzinpreis bestimmt. Aber da spielen noch eine Vielzahl anderer Faktoren eine Rolle.

Es kostet zum Beispiel etwas, das Rohöl zu raffinieren und zu Produkten zu veredeln. Außerdem fallen Fracht- und Transportkosten an, sowohl hin zur Raffinerie als auch von dort wieder weg. Die Lagerung muss bezahlt werden, was aktuell sehr teuer ist, und dann kommen noch die Steuern oben drauf. Selbst wenn Rohöl einen negativen Preis hat, so sorgen all diese anderen Komponenten dennoch dafür, dass wir für Heizöl, Diesel und Benzin bezahlen müssen.

Damit wir als Endkunden in Deutschland an der Zapfsäule Geld rausbekommen, statt zu bezahlen, müsste der Rohölpreis für Brent schon erheblich ins Negative fallen und dort auch für eine ganze Weile verharren. Erste negative Preise für Heizöl würden wir in Deutschland wohl ab -40 Dollar pro Barrel Brent sehen. Bei Diesel müssten es dann schon etwa -115 Dollar sein und damit wir für das Tanken von Super Benzin an der Tankstelle Geld erhalten müsste Brent auf etwa -140 Dollar abrutschen. Und das ist dann doch schon ziemlich unwahrscheinlich. Aktuell wird das europäische Rohöl übrigens bei etwa 20 Dollar gehandelt.

 

Warum ist der Rohölpreis in den USA eigentlich so dramatisch abgestürzt und wurde dann sogar zu negativen Preisen gehandelt?

Johne: Natürlich steckt die weltweite Corona-Krise dahinter. Mit den vielen Shutdowns ist die Nachfrage nach Öl extrem gesunken. Keine Flugzeuge, keine Wirtschaftstätigkeit, noch nicht einmal der übliche Pendlerverkehr. Das ist ein enormer Nachfrageeinbruch, der dazu geführt hat, dass die Öllager immer voller werden. Wenn keiner das Öl kauft muss es ja erst einmal irgendwo hin.

In den USA ist das ein größeres Problem als in Europa, denn die zentrale Lagerstelle liegt mitten im Landesinneren und die Transportmöglichkeiten sind begrenzt. In Europa und für Brent ist das anders. Die Referenzsorte Brent wird in der Nordsee gefördert und gehandelt. An den Häfen gibt es große Lager von denen aus das Öl per Tanker vergleichsweise problemlos an andere Lagerstätten weltweit transportiert werden kann.

Ausgelöst wurden die Negativpreise am Montag von einem sogenannten Long-Squeeze. Um den zu verstehen, muss man ein bisschen in die Funktion der Ölbörsen einsteigen. Der Handel mit Öl ist ein sogenanntes Warentermingeschäft oder auch Future. Das heißt, man kauft einen Kontrakt, der Erfüllungszeitpunkt liegt aber in der Zukunft. Trader kaufen oder verkaufen diese Futures, je nachdem ob sie auf fallende oder steigende Preise setzen. Wer rein spekulativ handelt und nicht zum Erfüllungszeitpunkt tatsächlich mehrere tausend Barrel Rohöl haben möchte, muss bis zum Ablauf des Kontraktes wieder verkauft haben.

Wenn es aber keine Abnehmer gibt, wird das immer schwerer. Die Verkäufer sind gezwungen, immer günstiger und günstiger zu verkaufen, es wird der letzte Cent aus ihnen rausgequetscht. Daher der Begriff Long-Squeeze. Wer in so einen Strudel gerät, der ist letztlich gezwungen, dem Käufer Geld anzubieten, damit er eine physische Lieferung vermeidet.

 

Quelle:

Futures-Services GmbH:
Der Tauberbischofsheimer Informationsdienstleister hat seinen Schwerpunkt seit 1985 im Energiesektor und betreut kleine sowie mittelständische Unternehmen bis hin zu Konzernen in Deutschland und Europa.
www.futures-services.com



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